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#4 Blog

Lebenszyklusanalyse von karbonatisiertem Recyclingbetongranulaten: Ein nachhaltiger Weg

Lebenszyklusanalyse von karbonatisiertem Recyclingbetongranulaten: Ein nachhaltiger Weg

Im ersten Blogbeitrag (siehe Blogpost #1) gab Johannes Tiefenthaler Einblicke in die von Neustark betriebene Lieferkette für karbonatisiertes Recyclingbetongranulat (RCA). In einem zweiten Blogbeitrag (siehe Blogpost #2) beschrieb das engagierte Forschungsteam von Andreas Leemann und Frank Winnefeld an der Empa die mikrostrukturellen Veränderungen im Beton bei der Verwendung von RCA. In diesem Blogbeitrag wird die Ökobilanz der CO2-Mineralisierung in RCA, wie sie von der Firma Neustark durchgeführt wird, näher beleuchtet. Er soll ein umfassendes Verständnis der Systemgrenzen vermitteln und vor allem das Potenzial aufzeigen, 1) CO2 durch die CO2-Mineralisierung aus der Atmosphäre zu entfernen und 2) die Treibhausgasemissionen durch eine geringere Beschaffung von neuem Material zu reduzieren.

Was wollen wir herausfinden?

Die Lebenszyklusanalyse ist eine Methode der Emissionsbilanzierung, bei der die Umweltauswirkungen aller relevanten Phasen des Lebenszyklus eines Produkts oder einer Dienstleistung bewertet werden: die Herstellung, Nutzung und Entsorgung. Diese Bilanzierungsmethode ist insbesondere für Technologien zur Kohlendioxidbeseitigung (carbon dioxide removal, kurz: CDR) von Bedeutung, wie z. B. der Mineralisierung von CO2 in rezykliertem Betongranulat. Sie ermöglicht es uns, die Menge der Emissionen, die entlang der Wertschöpfungskette der CO2-Mineralisierung in RCA (z. B. Stromerzeugung, Transport, Zerkleinerung usw.) entstehen, mit der Menge des mineralisierten CO2 zu vergleichen. In DemoUpCARMA wollen wir insbesondere nachweisen, dass ersteres geringer ist als letzteres und dass der gesamte Vorgang zu einer Nettoentfernung von CO2 aus der Atmosphäre führt.

Die Systemgrenzen und analysierten Produktionsprozesse verstehen

In einem ersten Schritt legt unsere Analyse die Systemgrenzen für die Ökobilanz fest - Grenzen, innerhalb derer die Emissionen der Prozesskette bilanziert werden. Diese Grenzen schaffen eine Basis für die Vergleichbarkeit mit beispielsweise anderen Arten CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen.

Die Ökobilanz von karbonatisiertem RCA startet beim Abbruch von bestehenden Betonstrukturen, geht weiter zur Zerkleinerung und dem Transport des Abbruchmaterials zum Betonwerk. Das RCA wird dann im Werk einer Karbonatisierung unterzogen, bei der biogenes CO2 aus einer Biogasanlage (d. h. ursprünglich durch die Photosynthese von Biomasse der Atmosphäre entzogen) durch Reaktion mit dem im RCA enthaltenen «alten» Zementleim mineralisiert (d.h. «Karbonatisierung").

In den anschliessenden Schritten werden verschiedene Produktionsrouten für die Betonherstellung analysiert und verglichen. Zunächst wird die Herstellung von Beton mit natürlichen Gesteinskörnungen und Portlandzement (= klassischer Zement) betrachtet (Nr. 1 in Abb. 1, orangefarbene Pfeile). Die Umweltbilanz dieser Lieferkette - zum Beispiel im Hinblick auf die Klimaauswirkungen - wird mit der Betonherstellung unter Verwendung von RCA (Nr. 2 in Abb. 1, blaue Pfeile) und karbonatisiertem RCA (Nr. 3 in Abb. 1, grüne Pfeile) verglichen. Nachfolgende Schritte, einschliesslich des Betontransports zur Baustelle und des Einbaus in das neue Bauwerk, werden aus dem System ausgeschlossen, da sie sich nicht unterscheiden, unabhängig davon, ob RCA (karbonatisiert oder unkarbonatisiert) verwendet wird.

Abb. 1: Systemgrenzen der drei betrachteten Pfade: Betonherstellung mit 1) Zement + neuer Gesteinskörnung (orangefarbene Pfeile), 2) Zement + rezyklierte Gesteinskörnung (RCA) (blaue Pfeile) und 3) Zement + rezyklierte karbonatisierte Gesteinskörnung (grüne Pfeile). Die Lieferung und Verwendung von Beton ist nicht Gegenstand der Studie. Es werden zwar alle relevanten Aktivitäten und Dienstleistungen berücksichtigt, sie sind jedoch nicht alle in dieser Abbildung dargestellt (z. B. die Stromversorgung).

 

Betonkonstruktionen

Wie im Blogpost #2 ausführlich erläutert, führt die entkalkte Kalzium-Silikat-Hydrat-Phase (C-S-H), die in karbonatisiertem RCA nach der CO2 -Mineralisierung zu beobachten ist, zu einer erhöhten Druckfestigkeit des Betons. Somit kann bei gleicher Druckfestigkeit weniger Zement verwendet werden als bei der Verwendung von nicht karbonisiertem RCA. Die Betonmischungen, die den drei betrachteten Optionen entsprechen, sind in Tabelle 1 dargestellt.

Tabelle 1: Betonmischungen für die Optionen 1 bis 3. Alle drei Betonmischungen erreichen eine 28-Tage-Druckfestigkeit von 29 MPa. Der Zementverbrauch steigt, wenn neue Gesteinskörnungen durch RCA ersetzt werden. Bei der Verwendung von karbonatisiertem RCA kann jedoch weniger Zement verwendet werden als bei nicht karbonatisiertem RCA. Der Zementgehalt bei der Verwendung von unkarbonatisiertem RCA und karbonisiertem RCA ist ungefähr gleich.

 

Ergebnisse

Die folgende Abbildung zeigt das Treibhauspotenzial (in kg CO2-Äquivalent) pro Tonne produzierten Betons für die drei Optionen: Beton mit neuen Granulaten, Beton mit RCA und Beton mit karbonatisiertem RCA. Allein die Umstellung von neuen Gesteinskörnungen zu RCA (die ersten beiden Balken in Abbildung 2) führt nicht zu einer signifikanten Verringerung der Treibhausgasemissionen (THG): Die Verringerung der THG-Emissionen durch die Beschaffung (d. h. Abbruch, Zerkleinerung, Transport) von RCA anstelle von neuen Gesteinskörnungen wird leider durch den erhöhten Zementverbrauch zur Aufrechterhaltung der gleichen Druckfestigkeit kompensiert.

Jedoch reduziert die Verwendung von karbonatisiertem RCA den Beitrag der Betonproduktion zum Klimawandel im Vergleich zur Verwendung von neuer Gesteinskörnung und nicht karbonatisiertem RCA. Im Vergleich zur Verwendung von neuen Gesteinskörnungen beträgt die Nettoreduzierung des Treibhauspotenzials hier 13 %. Dabei ist zu beachten, dass dieses Ergebnis vor allem von der Kohlenstoffintensität des verwendeten Stroms abhängt (siehe nächster Abschnitt). Zwei Drittel dieses Nettoeffekts sind auf die Fähigkeit von RCA zurückzuführen, CO2 zu absorbieren und der Atmosphäre zu entziehen. Das verbleibende Drittel ergibt sich aus den geringeren Treibhausgasemissionen, die mit der Beschaffung von RCA im Vergleich zur Beschaffung von neuen Gesteinskörnungen verbunden sind. Im Vergleich zur Verwendung von unkarbonatisiertem, also reinem RCA beträgt die Nettoreduzierung des Treibhauspotenzials etwa 9 %. Zwei Drittel des Nettoeffekts stammen aus der CO2-Mineralisierung, d. h. der Kohlenstoffentfernung, und das verbleibende Drittel aus dem geringeren Zementverbrauch dank der Reaktion zwischen neu gebildetem Portlandit und C-S-H und Zement, d. h. der Verringerung der Treibhausgasemissionen. Wie im Blogbeitrag # 2 erläutert und in der obigen Tabelle dargestellt, konnte der Zementgehalt der Rezeptur mit karbonatisiertem RCA im Vergleich zur Verwendung von unkarbonatisiertem RCA um 5 - 7 % gesenkt werden. Da die Zementherstellung eine bedeutende Quelle von CO2-Emissionen ist, wirkt sich jede Verringerung des Zementverbrauchs positiv aus (d. h. Verringerung der Emissionen) und verringert den ökologischen Fussabdruck von Beton.

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Abb. 2: Auswirkungen des Treibhauspotenzials pro Tonne Beton unter Berücksichtigung des Erwärmungspotenzials der emittierten Gase über einen Zeithorizont von 100 Jahren. Der gelbe Stern zeigt die Nettosumme der Treibhausgasemissionen an. Der rote Punkt gibt die Menge an Treibhausgasemissionen an, die pro 1'000 kg CO2 eingespart werden.

 

CO2-Minderungseffizienz der CO2-Mineralisierung in rezykliertem Betonaggregat

Eine andere Betrachtungsweise ist die zusätzliche Menge an THG-Emissionen, die die Betonlieferkette bei der Verwendung von karbonatisiertem RCA ausstösst, um 1 Tonne CO2-Äquivalent zu vermeiden (d. h. unter Berücksichtigung von Entfernung und Reduzierung), was als CO2-Vermeidungseffizienz bezeichnet werden kann. Mit anderen Worten: Wir betrachten ein Mal nur die Nettodifferenz der Emissionen im Vergleich zum Referenzfall, die erforderlich ist, um eine Tonne CO2-Äquivalent zu vermeiden. Der rote Punkt in Abbildung 2 zeigt an, dass bei der Reduzierung von einer Tonne CO2-Äquivalent etwa 50 kg CO2-Äquivalent emittiert werden. Diese Zahl ist auch in Abbildung 3 unter "Schweiz, heute" dargestellt. Sie kann je nach der betrachteten Lieferkette niedriger oder höher sein. Wenn beispielsweise die Elektrizität, die verwendet wird für die Abscheidung, Verflüssigung und Verdampfung des CO2, kohlenstoffintensiv ist (auf der Grundlage fossiler Energie), kann sie fast 100 kg CO2-Äquivalente pro Tonne CO2 verursachen, wie ebenfalls in Abbildung 3 dargestellt. Bis 2050 könnte diese Menge dank der fortgesetzten Bemühungen zur Dekarbonisierung der Stromversorgung auf ~20 kg CO2-Äquivalent sinken, was bedeutet, dass die CO2-Vermeidungseffizienz fast 98 % erreichen könnte.

Abb. 3: Ausgestossenes Treibhausgas pro vermiedener Tonne CO2. "Schweiz heute" = Referenzfall (biogenes CO2 aus Biogasanlage, Strom @ 128g CO2-eq./kWh). "Schweiz 2050" = biogenes CO2 aus Biogasanlagen, Strom @ ~45g CO2-Äq./kWh (aus Energieperspektiven 2050+, Business-as-usual Szenario). (Tiefenthaler et al. 2021) bezieht sich auf eine Studie, die eine ähnliche Versorgungskette betrachtet, aber die Festigkeitssteigerung durch die Reaktion von Portlandit und CO2 nicht berücksichtigt.

 

Zusammenfassend zeigt unsere Ökobilanz, dass die Verwendung von karbonisiertem RCA dazu beiträgt, den Beitrag der Betonproduktion zum Klimawandel zu verringern. Zusammen mit anderen ebenso wirksamen Massnahmen (z. B. Verwendung alternativer zementhaltiger Zusatzstoffe zur Verringerung des Klinkerbedarfs im Beton, Verringerung des Betonverbrauchs durch konstruktive Optimierung von Gebäuden) öffnet die Verwendung von karbonatisiertem RCA die Tür zur Verringerung der CO2-Emissionen der Bauindustrie, die heute immer noch ein Viertel der nationalen Treibhausgasemissionen ausmachen (BAFU 2023). Durch die Nutzung der vorteilhaften Eigenschaften von karbonatisiertem RCA können wir zur Reduktion der CO2-Emissionen in einem Sektor beitragen, der schnell dekarbonisiert werden muss, in welchem technische Alternativen aber rar sind. Gleichzeitig führen wir damit eine Technologie zur Entfernung von Kohlendioxid im Inland ein. Diese Technologie unterliegt jedoch einer Einschränkung, nämlich der Verfügbarkeit von RCA. Ausserdem ist diese Technologie aus ökologischer Sicht am sinnvollsten, wenn sie mit kohlenstoffarmem Strom betrieben wird.

Autoren

Romain Sacchi und Christian Bauer sind Forscher der Technology Assessment Group am Paul Scherrer Institut.
Andreas Leemann ist Gruppenleiter von Betontechnologie an der Empa.

Quellen

BAFU. 2023. “Buildings.” 2023. bafu.admin.ch/bafu/en/home/topics/climate/info-specialists/reduction-measures/buildings.html.

Leemann, Andreas, and Roman Loser. 2019. “Carbonation Resistance of Recycled Aggregate Concrete.” Construction and Building Materials 204: 335–41. doi.org/10.1016.

Tiefenthaler, Johannes, Lisa Braune, Christian Bauer, Romain Sacchi, and Marco Mazzotti. 2021. “Technological Demonstration and Life Cycle Assessment of a Negative Emission Value Chain in the Swiss Concrete Sector.” Frontiers in Climate 3. doi.org/10.3389.

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